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Dem Gefühl der Angst und Ohnmacht entgegenwirken

In den kommenden Tagen bringen unsere Austrägerinnen und Austräger die neue Ausgabe des Gemeindebriefs "Kirchenfenster" zu Ihnen nach Hause. Hier lesen Sie schon einmal das Editorial von Pfarrer Alexander Ebel.

Vieles ist passiert seit der Herbst/Winter-Ausgabe unseres Kirchenfensters. Vieles, wovon die meisten von uns nicht im Traum gedacht hätten, dass es überhaupt jemals wieder passieren könnte. Fast erscheint die Coronapandemie im Rückblick nun wie eine Vorübung in Krisenmanagement, als ein Sich-Einstimmen auf noch Größeres - den weltpolitischen Konflikt und die inneren und gesellschaftlichen Konflikte, die er mit sich bringt.

Ich schreibe diese Zeilen am Sonntag Reminiszere, dem 13. März 2022, und weiß nicht, was in der Zwischenzeit in der Ukraine und hier bei uns geschehen sein wird, bis Sie diese Ausgabe in Händen halten. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes heute, noch am Anfang der Passionszeit, stand die Szene im Garten Getsemane: Jesus, wie er sich, von Todesangst übermannt, dreimal zurückzieht, um zu beten. Dreimal tritt er in das gedankliche Ringen mit sich und seinem erwarteten Geschick ein, dreimal fleht er zu Gott: „Wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Und dreimal muss er es laut betend aussprechen, um es für sich annehmen zu können: „Wenn es aber nicht möglich ist, soll geschehen, was du willst!“

Es ist schwer, in diesen Tagen der Militarisierung unserer Gedanken zu widerstehen, und noch schwerer, das so zu tun, dass es nicht zynisch klingt gegenüber den Menschen in der Ukraine, die ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen. Und zugleich ist es nötig, manchen allzu schnell wiederaufgekommenen Selbstverständlichkeiten zu widerstehen. Ja, es stimmt: Wir wünschen uns, den Angegriffenen mit allen Mitteln zur Seite zu stehen.  Und zugleich halte ich es für wichtig, behutsam zu sein, die Option für den Frieden niemals gänzlich über Bord zu werfen, und uns von der Angst nicht das Denken und Handeln diktieren zu lassen.

„Angst ist ein schlechter Ratgeber“, sagte einmal der frühere Bundespräsident Joachim Gauck. Was tut Jesus? Er bringt seine Angst vor Gott, bringt sie ihm dar, ergibt sich schließlich vertrauensvoll seinem Willen. Und so kommt es, dass für ihn die Angst nicht handlungsleitend wird - wie es gegenwärtig der Fall zu sein scheint. Warum sonst findet die Investition vieler Milliarden Euro in Rüstung auf einmal so schnell so breite Zustimmung? In das Lehren und Einüben ziviler, gewaltfreier Konzepte der Landesverteidigung wird dagegen nicht investiert. Ist auf diese hinzuweisen weltfremde Träumerei und nur mitleidig zu belächeln?

Was der Angst und dem Gefühl der Ohnmacht auch entgegenwirkt: das zu tun, was jeder und jede tun kann, um zu helfen. Wie zum Beispiel: An Demonstrationen teilnehmen, um allen, die für den Frieden eintreten, Solidarität zu signalisieren. Für Menschen auf der Flucht spenden. Wenn wir es einrichten können: Wohnraum und andere Unterstützung anbieten. Ja, selbst unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, auf Erneuerbare umsteigen, Energie sparen, nützt jetzt nicht mehr nur dem Klima, sondern stellt Russland weniger Geld für den Krieg zur Verfügung. Und schließlich, was Jesus von seinen Jüngern forderte: Wachen und beten. Mögen wir darin nicht so schnell müde werden.  
Ihr Pfarrer
Alexander Ebel

P.S.: Nach Drucklegung fand ein Gespräch zwischen Vertretern der katholischen und protestantischen Altriper Gemeinden sowie der Verbandsgemeinde Rheinauen statt. Presbyterium und katholischer Gemeindeausschuss waren übereingekommen, der VG unsere Hilfe und Unterstützung im Blick auf die Schutzsuchenden aus der Ukraine anzubieten, die in diesen Tagen zu uns kommen oder schon hier sind. Ein erster Schritt wird voraussichtlich die Wiedereinrichtung eines regelmäßigen Café-Nachmittags/Abends im Dietrich-Bonhoeffer-Haus sein, als Treffpunkt und Gelegenheit, Helferinnen und Helfer für bestimmte Anliegen zu finden, sowie als Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten. Mehr dazu in den kommenden Tagen.